Urteile-Übersicht: Arbeitgeber sind keine Telekommunikationsanbieter im Sinn des TKG

Urteile-Übersicht: Arbeitgeber sind keine Telekommunikationsanbieter im Sinn des TKG

Noch steht eine höchstrichterliche Bundes-Entscheidung aus, jedoch hat sich eine Rechtsprechung verfestigt, die vom Standpunkt ausgeht, dass der Arbeitgeber kein Telekommunikationsanbieter im Sinne des TKG ist und die Regeln des TKG daher im Arbeitsverhältnis keine Anwendung finden. weiterlesen

Urteile- Übersicht: Arbeitgeber sind keine Telekommunikationsanbieter im Sinn des TKG.

Noch steht eine höchstrichterliche Bundes-Entscheidung aus, jedoch hat sich eine Rechtsprechung verfestigt, die vom Standpunkt ausgeht, dass der Arbeitgeber kein Telekommunikationsanbieter im Sinne des TKG ist und die Regeln des TKG daher im Arbeitsverhältnis keine Anwendung finden.
Diese Auffassung steht im Gegensatz zur Auffassung der deutschen Aufsichtsbehörden.

Folgende Gerichte und Urteile vertreten die genannte Auffassung:

1. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016, Az. 5 Sa 657/15

– Im Kündigungsschutzprozess können zu Lasten des Arbeitnehmers die vom Arbeitgeber ohne Hinzuziehung des Arbeitnehmers ausgewerteten Einträge der aufgerufenen Internetseiten in der Chronik des auf dem Dienstrechner des Arbeitnehmers installierten Internet-Browsers zum Beweis einer exzessiven Internetnutzung verwertet werden. Obwohl es sich dabei um personenbezogene Daten handelt und auch wenn eine wirksame Einwilligung in die Kontrolle dieser Daten nicht vorliegt, besteht kein Beweisverwertungsverbot,
– Auch aus § 88 Abs. 3 TKG folgt in diesem Falle kein Beweisverwertungsverbot, weil das TKG nicht anwendbar ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine private Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses erlaubt.

Zum Volltext des Urteils hier:

2. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011, Az. 4 Sa 2132/10:

– Ein Arbeitgeber wird nicht allein dadurch zum Dienstanbieter i. S. d. Telekommunikationsgesetzes, dass er seinen Beschäftigten gestattet, einen dienstlichen E-Mail-Account auch privat zu nutzen.
– Belassen die Beschäftigten bei Nutzung des Arbeitsplatzrechners die eingehenden E-Mails im Posteingang bzw. die versendeten im Postausgang, so unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers auf diese Daten nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses.

Zum Volltext des Urteils hier:

3. LAG Hamm, Urteil vom 10.07.2012 – 14 Sa 1711/10

– Das Fernmeldegeheimnis wird nicht berührt, wenn nicht der eigentliche E-Mail-Verkehr an sich, sondern lediglich der auf dem Rechner des Arbeitgebers abgespeicherte Inhalt kontrolliert wird (vgl. VGH Hessen, 19. Mai 2009, 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470). Der Grundrechtsschutz nach Art. 10 GG erstreckt sich nicht auf die außerhalb eines laufenden Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Umstände der Kommunikation. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet in dem Moment, in dem die E-Mail beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet ist (vgl. BVerfG, 16. Juni 2009, 2 BvR 902/06, NJW 2009, 2431). Entsprechendes gilt für die abgespeicherten Chatprotokolle, die nach Abschluss des Chatgesprächs auf dem Arbeitsplatzrechner des Klägers verblieben sind. Auch diese sind lediglich die gespeicherten Inhalte und Umstände einer abgeschlossenen Kommunikation.

Zum Volltext des Urteils hier:

4. VGH Baden-Württemberg Urteil vom 30.7.2014, 1 S 1352/13

– Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zum Löschungsanspruch des Klägers dargelegt, dass dieser sich nicht zusätzlich auf § 88 TKG berufen kann.

Zum Volltext des Urteils hier:

Vorinstanz:
VG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2013, Az. 2 K 3249/12

„Der Schutzbereich des § 88 TKG ist im vorliegenden Fall nicht eröffnet. § 88 TKG ist im Verhältnis zu den Datenschutzgesetzen eine spezielle Schutzvorschrift für personenbezogene Daten, die im Rahmen eines Telekommunikationsvorgangs anfallen (vgl. Bock in Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 88 Rn. 10). § 88 TKG hat allerdings wie Art. 10 GG allein den Schutz des Fernmeldegeheimnisses zum Ziel. § 88 TKG kann als einfachgesetzliche Ausprägung des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 GG bezeichnet werden (vgl. Bock in Beck’scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 88 Rn. 1). Ist der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG nicht eröffnet, so kann sich ein Betroffener auch nicht auf das für Diensteanbieter im Sinne von § 3 Nr. 6 TKG geltende gesetzliche Verbot nach § 88 Abs. 2 und Abs. 3 TKG berufen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19.05.2009 – 6 A 2672/08.Z – NJW 2009, 2470). So liegt der Fall hier.

Das Bundesverfassungsgericht grenzt den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung auf die Bewahrung des privaten, vor der Öffentlichkeit und den Eingriffen unbefugter Dritter unbehelligt ablaufenden Austauschs von Informationen während des Kommunikations- oder Übertragungsvorgangs ein. Der Grundrechtsschutz des Art. 10 Abs. 1 GG erfasst demgegenüber nicht die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Inhalte und Verbindungsdaten, soweit dieser eigene Schutzvorkehrungen gegen den heimlichen Datenzugriff treffen kann. Die spezifischen Gefahren einer räumlich distanzierten Kommunikation, vor denen das Telekommunikationsgeheimnis schützen will, bestehen hier nicht fort (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19.05.2009 – 6 A 2672/08.Z – a.a.O. unter Bezug auf BVerfG, Urteile vom 02.03.2006 – 2 BvR 2099/04 – BVerfGE 115, 166 = NJW 2006, 976 und vom 27.02.2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 = NJW 2008, 822; siehe ferner BVerfG, 16.06.2009 – 2 BvR 902/06 – BVerfGE 124, 43 = NJW 2009, 2431; LAG Niedersachsen, Urteil vom 31.05.2010 – 12 Sa 875/09 – NZA-RR 2010, 406; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.02.2011 – 4 Sa 2132/10 – DB 2011, 1281; LAG Hamm, Urteil vom 10.07.2012 – 14 Sa 1711/10 – DuD 2013, 50 = juris Rn. 175).

Gemessen daran ist der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses des Art. 10 Abs. 1 GG hier hinsichtlich der streitgegenständlichen E-Mail-Postfachdaten des Klägers nicht betroffen. Dies folgt daraus, dass es sich bei den E-Mails nicht um Kommunikationsinhalte handelt, die der Beklagte während des Kommunikations- oder Übertragungsvorgangs ohne Wissen und Wollen der Kommunikationsteilnehmer datenmäßig erfasst und gespeichert beziehungsweise in anderer Weise verarbeitet hat. Vielmehr sind diese E-Mails erst nach dem Abschluss der Übertragung über den Empfänger der E-Mail in die Speichermedien des Beklagten gelangt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 19.05.2009 – 6 A 2672/08.Z – a.a.O.).“

5. LAG Niedersachsen, Urteil vom 31.05.2010, Az. 12 SA 875/09:

– Gestattet ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern, den Arbeitsplatzrechner auch zum privaten E-Mail-Verkehr zu nutzen und E-Mails, die von den Mitarbeitern nicht unmittelbar nach Eingang oder Versendung gelöscht werden, im Posteingang oder -ausgang zu belassen oder in anderen auf lokalen Rechnern oder zentral gesicherten Verzeichnissen des Systems abzuspeichern, unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers oder Dritter auf diese Datenbestände nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses. Schutz gegen die rechtswidrige Auswertung dieser erst nach Beendigung des Übertragungsvorganges angelegten Daten wird nur durch die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung bzw. auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gewährt (Hessischer Verwaltungsgerichtshof 19.05.2009, 6 A 2672/08.Z, NJW 2009, 2470 – 2473). Die Beklagte hat vorliegend nicht die § 15 Telemediengesetz bzw. § 88 Telekommunikationsgesetz verletzt, da sie im Sinne dieser Spezialgesetze nicht als „Dienstanbieter“ von Telekommunikationsdienstleistungen anzusehen ist. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güteabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient (BAG 13.12.2007 a. a. O. Rn. 36).

Zum Volltext des Urteils hier:

6. Hessischer VGH, Beschluss vom 19.05.2009 – 6 A 2672/08.Z

– Gestattet ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern, den Arbeitsplatzrechner auch zum privaten E-Mail-Verkehr zu nutzen und E-Mails, die von den Mitarbeitern nicht unmittelbar nach Eingang oder Versendung gelöscht werden, im Posteingang oder -ausgang zu belassen oder in anderen auf lokalen Rechnern oder zentral gesicherten Verzeichnissen des Systems abzuspeichern, unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers oder Dritter auf diese Datenbestände nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses. Schutz gegen die rechtswidrige Auswertung dieser erst nach Beendigung des Übertragungsvorgangs angelegten Daten wird durch die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung bzw. auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gewährt.

Zum Volltext des Urteils hier:

7. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2007 – 3 Ca 1455/07

– Bei der Erhebung und Speicherung von Daten hinsichtlich der Nutzung des Internets durch den Arbeitnehmer ist dessen Persönlichkeitsrecht in der Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung betroffen. Eine Rechtsgrundlage für eine Kontrolle der dienstlichen Internetnutzung enthält das Bundesdatenschutzgesetz (das TKG ist dagegen nicht anwendbar – vgl. Mengel, BB 2004, 2014 [2020]).

Zum Volltext des Urteils hier:

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