Urteil: Auskunftsrecht im Arbeitsverhältnis bezieht sich auch auf Verhaltensangaben in einem betrieblichen Hinweisgebersystem („Whistleblower“)

Urteil: Auskunftsrecht im Arbeitsverhältnis bezieht sich auch auf Verhaltensangaben in einem betrieblichen Hinweisgebersystem („Whistleblower“)

LArbG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – Az: 17 Sa 11/18

Das Gericht hat im Rahmen eines Kündigungsverfahrens eines Arbeitnehmers auch über einen geltend gemachten Auskunftsanspruch entschieden und sich dabei mit der Frage, ob das Auskunftsrecht durch Geheimhaltungsinteressen beschränkt sein kann, beschäftigt.   weiterlesen


Das Urteil hat mehrere wichtige Aussagen zum Datenschutz  getroffen. Vier wichtige Punkte sind erwähnenswert:

1. Das Einsichtsrecht in die Personalakte  gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG und das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO bestehen parallel und unabhängig voneinander.

2.  E-Mails werden als personenbezogene Daten qualifiziert, denn jede „geschriebene, gesendete und empfangene E-Mail enthält bereits personenbezogene Daten, nämlich Informationen, die sich auf den (Betroffenen) beziehen“.
Diese Aussage ist allerdings recht pauschal, hier wäre es hilfreich gewesen, wenn das Gericht die personenbezogenen Daten, die mit der Kommunikationsform „E-Mail“ verbunden sind, konkret oder beispielhaft benannt hätte. Zu diesem Punkt bleiben mehr Fragen offen als Antworten gegeben sind.

3.  Leistungs- und Verhaltensdaten sind als personenbezogene Daten vom Auskunftsanspruch umfasst.

4.  Wenn das Auskunftsrecht wegen „Rechte Dritter“ oder „berechtigter Interessen“ nach § 34 Abs. 1 BDSG i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG eingeschränkt werden soll, kann das nur für den konkreten Einzelfall gelten; diese Einschränkungen sind in einer Einzelfallabwägung zu ermitteln. Die Auskunft pauschal zu verweigern, weil die Daten aus einem betrieblichen Hinweisgebersystem, das Anonymität zusichert, kommen, reicht allein nicht aus. Das Gericht führt dazu aus:
„Nur „soweit“ schützenswerte Interessen Dritter bestehen würden und diese in der gebotenen Einzelfallabwägung gegenüber dem Auskunftsanspruch als gewichtiger einzustufen wären, wäre eine Einschränkung des Auskunftsanspruches anzunehmen. Die für diese Einzelfallabwägung maßgeblichen Tatsachen, die zur Einschränkung des Auskunftsanspruches führen könnten, sind jedoch von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Die Beklagte verweist pauschal auf das Schutzbedürfnis von Hinweisgebern. Die Beklagte führt aus, sie sei auf den bedingungslosen Schutz der Anonymität hinweisgebender Mitarbeiter angewiesen. Ansonsten sei zu befürchten, dass Mitarbeiter künftig aus Angst vor Benachteiligung und „Repressalien“ auch bei schwerwiegendem Fehlverhalten auf entsprechende Hinweise an den Arbeitgeber verzichteten“.
Dazu muss für den Einzelfall begründet und belegt werden, warum die konkreten personenbezogenen Daten in diesem Fall nicht herausgegeben werden können:
„Diese Erwägungen sind zu allgemein gehalten, als dass damit gänzlich oder in einem bestimmten Umfang der Auskunftsanspruch des Klägers eingeschränkt werden könnte. Es bedürfte der Nennung eines konkreten Sachverhaltes, anhand dessen geprüft werden könnte, ob durch die Auskunftserteilung tatsächlich die Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden würde. Die Einschränkung des Auskunftsanspruches wegen überwiegender schützenswerter Interessen Dritter scheitert bereits daran, dass es nach dem Vortrag der Beklagten unklar bleibt, auf welche personenbezogenen Daten des Klägers sich die behaupteten schützenswerten Interessen Dritter beziehen sollen. Soweit die Beklagte mit dem Hinweis auf schützenswerte Interessen Dritter den Auskunftsanspruch verweigert, ist sie für die maßgeblichen Umstände in der Darlegungslast. Sie wäre kraft Sachnähe in der Lage gewesen, vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen Dritter tangiert werden. Zu dieser Darlegung hätten nicht schon die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden müssen. Ausreichend, aber auch erforderlich wäre gewesen, darzulegen, auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das überwiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll. Nur dann wäre der Kammer die notwendige Einzelfallabwägung möglich gewesen. Soweit in diesem Fall die berechtigten Interessen Dritter gegenüber dem Auskunftsinteresse des Klägers überwogen hätten, wäre auch erst dann in einem zweiten Schritt eine gegenständliche Einschränkung im Tenor möglich gewesen.“

Zum Urteil

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